Stelzenradwege: Über den Straßen Münchens
13. Oct. 2021
Schon oft versucht, bisher meist gescheitert: Radfahren attraktiver machen. Doch ein neues Konzept von Bernhard Dufter scheint Hoffnung auf einen leichteren Wechsel von vier auf zwei Räder zu bringen. Der Kern seiner Philosophie – freiwilliger Umstieg durch die Erleichterung des Radelns anstatt durch Vergraulen des Autofahrens.
Die Ausgangslage
Wer täglich mit dem Auto vom Speckgürtel hinein in die Stadt zum Arbeitsplatz unterwegs ist weiß, dass die suggerierte Freiheit des Autofahrens in Fernsehspots, meist nur ein Konzept einer Werbeagentur bleibt. Wenn auch bequem, so kostet das Verweilen im Stau nicht nur Zeit, sondern auch Nerven.
Drei Hauptfaktoren lassen viele jedoch nach wie vor das Auto bevorzugen.
Punkt 1: Sicherheit
Genauso individuell wie das Auto, scheitert der Umstieg aufs Radl jedoch oft schon an der Streckenwahl. Das Fahren auf den Hauptverkehrsadern braucht oft eine gehörige Portion Mut. Selbst wenn Fahrradstreifen neben den Autospuren vorhanden sind - ein Gefühl von Sicherheit bieten die weißen Trennlinien oft nur unzureichend.
Punkt 2: Zeit
Wer gefährliche Hauptstraßen meiden möchte, muss oft Umwege in Kauf nehmen, die etwaige Zeitvorteile wieder vernichten. Zumal mit dem Fahrrad genauso an Ampel und Kreuzungen angehalten werden muss. Auf denselben Straßen ist das Fahrrad dem Auto gegenüber klar im Nachteil.
Punkt 3: Das Wetter
An sonnigen Sommertagen ist das Radfahren für viele keine Überwindung. Beim täglichen Pendeln wird die Witterung früher oder später zur Herausforderung. Und wer möchte schon komplett durchnässt oder erfroren im Büro ankommen.
Für diese drei Problemfelder hat Bernhard Dufter die Lösung gefunden. Ein überdachter Radweg auf Stelzen.
Futurismus bald Realität?
Auf den ersten Blick wirken die erhöhten Röhren einem Science-Fiction-Film der Sechzigerjahre entsprungen. Bei genauerem Betrachten erschließen sich jedoch die Vorteile des schlauen Konzepts.
Die Schaffung eigener Verkehrswege bietet nicht nur Sicherheit durch die räumliche Trennung zu Kraftfahrzeugen. Es erlaubt die Errichtung an – beziehungsweise über – Hauptverkehrsverbindungen. Da die Röhrenwege auch nicht mit bestehendem Verkehr interagieren müssen, zum Beispiel durch Ampeln, kann es durchaus ein gleich schnelles, wenn nicht sogar schnelleres Vorankommen bedeuten. Durch eine Überdachung bleibt der Radweg außerdem trocken, im Winter schnee- und eisfrei und ungünstiger Gegenwind hat sich auch erübrigt.
Für sich alleinstehend kann ein neues Verkehrskonzept noch so innovativ sein, es braucht den Anschluss an bestehende Infrastruktur. Auch daran hat Bernhard Dufter gedacht. So soll es durch „Park&Bike“ oder „Ride&Bike“ hybride Möglichkeiten des Individualverkehrs geben. Kombiniert man das Ganze noch mit einem Radverleih und Solarzellen auf den Röhren des Radweges zum Laden von geparkten E-Autos, E-Bikes und Pedelecs, so scheint hier fast die „Eierlegende Wollmilchsau“ der Verkehrswende gefunden zu sein.
Alles noch Zukunftsmusik?
Das alles mag noch sehr weit entfernt klingen. Jedoch ist Bernhard Dufter bereit für eine konkrete Umsetzung eines Pilotprojekts. Gemeinsam mit der österreichischen Firma Bruckschlögel hat er einen ersten Entwurf erarbeitet. Es laufen Gespräche mit dem zuständigen Mobilitätsreferat, Ministerpräsident Markus Söder hat Fördermittel in Aussicht gestellt und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter ist auch mit im Boot.
So bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen einen mutigen Schritt wagen und einem neuen Konzept zumindest die Chance geben, sich zu bewähren. So dass in Zukunft die Wahl des Fahrrads nicht mehr nur aus Nachhaltigkeit, Gesundheit und Kosten geschieht, sondern weil es einfach das attraktivere Verkehrsmittel geworden ist.